Einen klugen Lotsen haben unsere Ahnen da erfunden: das Adjektiv. Doch wenn wir nicht achtgeben, wird aus dem klugen ein neunmalkluger. In diesem Newsletter erfahren Sie, wie Sie das Adjektiv im Zaum halten.
Wichtigtuer des Monats
Entdecken Sie Gondwanaland. Drei Kontinente unter einem Dach.
Mit spannenden Abenteuern das ganze Jahr - so wirbt der Zoo
Leipzig auf Plakaten in Berlin. Im Internet locken atemberaubende
Natur, hautnahe Tierbegegnungen und spannende Abenteuer.
43-mal findet sich dieses spannend auf der zoo-eigenen Website.
Spannende Entdeckungen. Spannende Tierbeobachtungen.
Spannende Geschichten aus Afrika. Und - spannende Abenteuer.
Tierbeobachtungen und Geschichten können spannend sein. Bei
Entdeckungen zögere ich, bei Abenteuern geht die rote Lampe an.
Warum? Spannend ist das Gegenteil von langweilig. Ein Adjektiv
ist eine sinnvolle Präzisierung, wenn es auch anders sein könnte:
eine langweilige Tierbeobachtung, eine langweilige Geschichte.
Können Entdeckungen oder Abenteuer langweilig sein? Gähnte
Kolumbus, als er Amerika sah? Fand Thor Heyerdahl es fad, den
Pazifik per Floß zu bezwingen? In Entdeckung und in Abenteuer
steckt spannend schon drin. Das Adjektiv ist hier also Unsinn.
Machen Sie die Nagelprobe
Prüfen Sie jedes Adjektiv: Präzisiert es das Hauptwort? Markiert
es einen Unterschied? Ein rotes Auto ist kein blaues, ein langer
Mantel kein kurzer. Hier ist das Adjektiv eine sinnvolle Ergänzung.
Bei wertenden Adjektiven fragen Sie: Ergäbe auch das Gegenteil
einen Sinn? Falls ja, passt das Adjektiv. Falls nein, passt es nicht.
Ein langatmiger Roman – ein kurzweiliger Roman: Hier passt es.
Ein spannendes Abenteuer – ein langweiliges: Hier passt es nicht.
Entgehen Sie der Marktschreier-Falle
Zentral Wohnen, umgeben von großen Parks und idyllischen Oasen
las ich jüngst in einem Immobilienprospekt. Idyllische Oasen?
Unsinnige Adjektive schmuggeln sich gerne in Marketing- und in
Werbetexte. Wägen Sie Ihre Worte hier also besonders genau.
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XXL-Adjektivmenü des Monats
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Produktlinie, bei einer Massage aus der Fülle an Körperanwendungen oder der seit 3500 Jahren bewährten Heilkunst
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und Wellnessprogramm tauchen Sie ein in die Welt der Sinne!
Acht Adjektive: professionell, liebevoll, einfühlsam, individuell,
natürlich, einzigartig, bewährt, hochwertig. Dazu die Adverbien
ganz, exklusiv, gern - dieser Prospekt gibt sich richtig Mühe.
Doch beim Lesen stellt sich Überdruss ein. Versuchen wir es
mal mit einer Radikalkur: ganz ohne Adjektive und Adverbien.
Tschüs, Adjektive: die Nulldiät
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Und? Vermissen wir etwas? Nicht wirklich. An einigen Stellen
holpert es allerdings noch ein wenig. Also vielleicht so:
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Ergebnis: Der Text klingt unprätentiöser. Weniger aufdringlich.
Glaubwürdiger. Ohne Substanz zu verlieren. Weniger ist mehr.
Adjektive abspecken: So kann es gehen
Verabschieden Sie sich von der Vorstellung, dass Hauptwörter durch ein Adjektiv ausdruckstärker werden. Überlegen Sie bei jedem Adjektiv: Bringt es wirklich eine Zusatzinformation? Das individuelle Wohlfühlprogramm nach Ihren Wünschen benennt zwei Mal das Gleiche, auch die 100% natürlichen Wirkstoffe der Natur-Produktlinie sind ein weißer Schimmel. Die Adjektive individuell und natürlich können Sie hier ersatzlos streichen.
Hüten Sie sich vor Hochwertwörtern
liebevoll, einfühlsam, bewährt – die klassische Werbesprache liebt positiv wertende Adjektive. Und sie liebt Superlative wie einzigartig. Die Sprachwissenschaft nennt sie „Hochwertwörter“.
Pech nur, dass diese Wörter oft wenig nützen. Im Gegenteil:
Sie machen misstrauisch, vor allem, wenn sie sich häufen. Denn
wir Lesende ahnen: So schön ist die Welt in aller Regel nicht.
Die Lösung: Beschreiben Sie anstatt zu bewerten. Lassen Sie
die Sache für sich sprechen. Mit freiem Blick über den See ist
eine Beschreibung, in zauberhafter Landschaft eine Bewertung.
Vermeiden Sie Eigenlob
Erleben Sie einfühlsame Mitarbeiter ist eine Behauptung. Diese Formulierung im Prospekt kann ich glauben oder nicht. Loben Sie sich nicht selbst, lassen Sie sich loben. Von Unverdächtigen, also von Kunden. Hier gehen die Mitarbeiter wirklich auf einen ein – ein solcher („Testimonial“)-Satz ist mehr wert als jedes Eigenlob.
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