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Gruselkabinett

 

Eine Weitsichtigkeit kann man in jungen Jahren häufig vollständig ausakkommodieren, dies fällt um so leichter je weniger man Tätigkeiten in naher Umgebung ausübt, im Vergleich zu einem Kurzsichtigen fällt die Abhängigkeit zu einer Brille meist wesentlich geringer aus.

Auf einer Info-Website für Brillenträger ist dies ein Rätsel. Dabei ginge es ganz einfach:

Bei jungen Menschen kann das Auge eine Weitsichtigkeit oft noch alleine ausgleichen. Deshalb brauchen Weitsichtige in jungen Jahren seltener eine Brille als Kurzsichtige. Dies gilt vor allem für Menschen, die bei der Arbeit eher in die Ferne schauen als in die Nähe. Ein weitsichtiger Fahrradkurier kommt also eher ohne Brille aus als eine weitsichtige Webdesignerin.

Auch auf Firmen-Websites finden sich oft eigentümliche Formulierungen:

Bei der produktionstechnischen Umsetzung bestimmen Sorgfalt und termingerechte Auftragserfüllung unser Handeln. Der Erfolg und die Zufriedenheit unserer Kunden sind das oberste Ziel unserer täglichen Arbeit.

Das mag gewichtig klingen, aber es passt nicht zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen. Dann eher so:

Bei der Herstellung arbeiten wir sorgfältig, Termine halten wir ein. Unser oberstes Ziel ist: Unsere Kunden sind zufrieden und sie haben Erfolg.

Eine typische Baustelle: Service-Informationen sind überladen und dadurch schwer verständlich:

Die Eisenbahngesellschaft Potsdam mbH (EGP) hat zum Fahrplan- wechsel im Dezember 2015 die Prignitzer Regionalbahnstrecken RB 73 (Neustadt (Dosse) <> Kyritz <> Pritzwalk) und RB 74 (Pritzwalk West <> Pritzwalk <> Meyenburg) mit einem Verkehrs- vertrag über zwei Jahre bis zum Dezember 2017 übernommen.

Hier sieht man vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Das geht einfacher:

Die Eisenbahngesellschaft Potsdam (EGP) hat in der Prignitz zwei Regionalstrecken übernommen. Seit Dezember 2015 bedient sie die RB 73 Neustadt (Dosse) – Kyritz - Pritzwalk und die RB 74 Pritzwalk West - Pritzwalk – Meyenburg. Der Vertrag läuft bis Dezember 2017.

Auch die Deutsche Bahn selbst schleppt noch viel historischen Ballast mit sich herum:

Verehrte Reisende, bitte beachten Sie folgenden Hinweis: In sämtlichen Fahrzeugen der Deutschen Bahn besteht ein striktes Rauchverbot. Zuwiderhandlungen werden mit Fahrtausschluss geahndet.

Das klingt nach Obrigkeitsstaat. Dabei ginge es ganz einfach:

Sehr geehrte Fahrgäste, Sie wissen: Unsere Züge sind Nichtraucher- Züge. Dies gilt auch auf den Toiletten. Wir haben dazu klare Vorschriften: Wer hier im Zug raucht, muss am nächsten Bahnhof aussteigen.

Auch manche Restaurants lassen sich vom Amtsdeutsch-Stil anstecken:

Liebe Gäste, eine kleine, aber wichtige Erklärung: Es ist in unserem Interesse, einen reibungslosen und zeitnahen Ablauf zu gewährleisten. Aus diesem Grund können wir keine Änderungswünsche von Speisen annehmen. Diese Vorgehensweise hat sich bewährt, da es so zu keinen unangenehmen Zeitverzögerungen kommt. Wir bitten um Ihr Verständnis und wünschen Ihnen einen entspannten, zufriedenen Aufenthalt in unserem Gasthaus.

Wirklich lecker klingt das nicht, und im Gespräch würde es der Wirt auch nicht so sagen. Sondern eher so:

Liebe Gäste, uns liegt daran, dass Sie sich bei uns wohlfühlen. Unser Küchenteam ist darauf eingestellt, dass Sie schnell bekommen, was Sie bestellt haben. In Ihrem Interesse gilt deshalb: Speisen können Sie nur so bestellen, wie diese auf der Karte stehen. Eine entspannte Zeit hier im Grünen wünschen Ihnen Ihre Wirtsfamilie X und das Küchenteam.

Selbst Journalistenschulen können in die Knie gehen, wenn sie eine Behörde zitieren:

Sehr geehrte Damen und Herren, die Regierung von Bayern hat uns mit Schreiben vom 21.04.95 – Az.300-5200-41/95 bescheinigt, dass die Schul- und Bildungsmaßnahme Ausbildung zum Redakteur/zur Redakteurin auf einen Beruf oder nach Wahl des Schülers auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet und damit die Bedingungen nach § 4 Nr. 21 Buchstabe b UStG erfüllt (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 der Zuständigkeitsverordnung zum Umsatzsteuer-Bescheinigungsgesetz vom 17.11.1987 Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 28/1987, S. 318). Das bedeutet, dass die Dozentenleistungen für unsere Kurse umsatzsteuerfrei sind. Bitte legen Sie dieses Schreiben Ihrem Finanzamt vor.

Paragrafen müssen manchmal sein, aber: Erst kommt die Botschaft, dann kommt die Quelle:

Ihr Honorar als Dozent(in) unserer Schule ist umsatzsteuerfrei. Dies bescheinigt uns die Regierung von Bayern. Sie bewertet die Ausbildung unserer Schule als ordnungsgemäße Vorbereitung auf einen Beruf oder auf eine Prüfung vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts. Sie können diese Bestätigung Ihrem Finanzamt vorlegen.

Die Bescheinigung der Regierung von Bayern stammt vom 21.04.95 – Az.300-5200-41/95. Es heißt darin weiter: Unsere Ausbildung erfüllt die Bedingungen nach § 4 Nr. 21 Buchstabe b UStG (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 der Zuständigkeitsverordnung zum Umsatzsteuer-Bescheinigungsgesetz vom 17.11.1987 Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 28/1987, S. 318).

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