"Oft fehlen einem die einfachsten deutschen Wörter, und man benutzt dann immer dieselben abgedroschenen Begriffe." Das Ergebnis sind glattgebügelte, inhaltsleere Floskeln. In diesem Newsletter erfahren Sie, wie Sie diese Falle umgehen.
Floskelkönig des Monats
Bei der produktionstechnischen Umsetzung bestimmen Sorgfalt und
termingerechte Auftragserfüllung unser Handeln. Der Erfolg und die
Zufriedenheit unserer Kunden sind das oberste Ziel unserer täglichen Arbeit.
Sätze aus einem Unternehmensleitbild. Im ersten Moment klingen sie
gewichtig, ich höre förmlich die Siegesfanfaren. Doch schaue ich genauer
hin, dann erkenne ich viel heiße Luft: Produktionstechnische Umsetzung ist
schlicht Produktion oder Herstellung. Termingerechte Auftragserfüllung ist
Pünktlichkeit. Lasse ich diese heiße Luft ab, dann klingt das in etwa so:
In der Produktion arbeiten wir sorgfältig, Termine halten wir ein. Es geht
uns darum, dass unsere Kunden zufrieden sind und dass sie Erfolg haben.
Sie erkennen den Unterschied. Jetzt klingt das Ganze so, wie es die Chefin
ihren Kindern erklären würde. Oder der Schichtleiter im Sportlerheim.
Floskeln vermeiden – so kann es gehen
Schreiben Sie nahe am Leben. Konkret. Mit Menschen, die etwas tun.
Mit Beispielen, die deutlich machen, was Sie sagen wollen. Schreiben
Sie so, wie Sie das Ganze Ihrem Gegenüber erzählen würden.
Kein Urlauber erzählt hinterher „Ich konnte die Seele baumeln lassen“.
Aber Prospekte und Websites sind voll mit “Hier können Sie die Seele
baumeln lassen.“ Die Alternative? „Hier finden Sie Ruhe vom Alltag.“
„Hier finden Sie den Rhythmus, der Ihnen gut tut.“ „Einfach dasitzen
und aufs Meer schauen. Erleben Sie, wie gut Ihnen dies tut.“
Was immer geht, geht gar nicht
Hüten Sie sich vor Formulierungen, die Sie schon oft gelesen haben.
Floskeln sind wie Musterbriefe: Sie sind bequem, weil sie Zeit sparen.
Aber mit blutleeren Texten erreichen Sie Ihr Gegenüber nicht.
Gerade im Marketing wirken Allerweltsformulierungen abgegriffen.
Ihr Angebot geht dann unter im Einheitsbrei einer seelenlosen PR.
Beispiele von einer Tourismus-Website: Die schönste Zeit des Jahres -
Ein Erlebnis für die Sinne - Dem Alltag entfliehen - Lassen Sie sich
verwöhnen - Gastgeber, die Sie mit offenen Armen willkommen heißen -
Freuen Sie sich auf jede Menge Spaß! – Klarer Spitzenreiter auf dieser
Website war mit 54 Auftritten übrigens Die Seele baumeln lassen.
Die Stunde der Wahrheit
Der Geheimauftrag hinter manchen Floskeln: Sie sollen kaschieren,
dass die inhaltliche Aussage dünn ist. Bei der produktionstechnischen
Umsetzung bestimmen Sorgfalt und termingerechte Auftragserfüllung
unser Handeln bedeutet schlicht Wir arbeiten sorgfältig, und wir sind
pünktlich. – Im Geschäftslebeneigentlich eine Selbstverständlichkeit.
Testen Sie sich
Im Kampf gegen Floskeln haben kluge Menschen das „BlaBlaMeter“
erfunden. Zitat: PR-Profis, Politiker, Berater, Werbetexter oder
Professoren müssen hier tapfer sein! Das BlaBlaMeter entlarvt
schonungslos, wie viel heiße Luft sich in Texte eingeschlichen hat.
Erreichen können Sie diesen Gratistest unter www.blablameter.de.
Sie kopieren einen Text in das Testfeld, und das Programm errechnet
den „Bullshit-Index“ dieses Textes. Liegen kann dieser zwischen 0,1
für einen sehr guten Text und 1,0 für einen Text mit viel heißer Luft.
Unser „Floskelkönig des Monats“ erreicht den Indexwert 0,86 - mit der
Begründung: Es stinkt gewaltig nach heißer Luft! Auch wenn Sie PR-Profi,
Politiker, Unternehmensberater oder Universitätsprofessor sind -
beim Eindruck schinden sollten Sie Ihre Aussage nicht vergessen.
Auch Journalistinnen und Journalisten sind nicht gefeit gegen Floskeln.
Auf www.floskelwolke.de präsentieren zwei Journalisten die Top-Floskeln
des Tages, ermittelt aus 50 Medien. Während ich diesen Newsletter
schreibe, sind es Tote gefordert – am helllichten Tag – auf Hochtouren.
zurück zur Übersicht
Mehr zu diesem Thema
Allgemeinplätzchen des Monats
Die Backnanger Kreiszeitung verkörpert beispielhaft die speziellen Vorteile einer modernen und heimatbezogenen Tageszeitung. Sie überzeugt durch Vielfalt und Aktualität, durch Kompetenz und Seriosität. Kein Wunder, dass sie sich eine so hohen Akzeptanz erfreut.
Eine Lokalzeitung feiert Jubiläum, und der Ministerpräsident schickt ein
Grußwort. Natürlich schreibt er es nicht selbst, dafür hat er seine Leute.
Beispielhaft. Modern. Heimatbezogen. Vielfalt. Aktualität. Kompetenz.
Seriosität. Hohe Akzeptanz. - Normalerweise sieht der Bürger seinem
Ministerpräsidenten so etwas nach. Der klingende Name des Absenders
überdeckt den faden Geschmack des Allgemeinplätzchens.
Doch dieses Mal hat der Ministerpräsident Pech: Der Bundespräsident
hat der Lokalzeitung ebenfalls ein Grußwort zukommen lassen.
Durch die Backnanger Kreiszeitung erfahren die Bürger, was in ihrer Stadt und in ihrer Region passiert. Was tut sich im Rathaus? Wann kommt die neue Straße? Was gibt es Neues von der SG, was von der TSG? Auf all diese Fragen finden Sie in Ihrer Regionalzeitung antworten.
Natürlich hat auch der Bundespräsident dieses Grußwort nicht persönlich geschrieben. Und auch dieser Text dürfte ein Produkt von der Stange sein. Aber die oder der Verfasser(in) hat zumindest vorher kurz nachgedacht.
Mehr als Allgemeinplätzchen backen: die Zutaten
Denken Sie ein Grußwort immer vom Ende her:
- Für wen schreiben Sie?
- In welcher Situation sind Ihre Leser? Was interessiert sie?
- Sprechen Sie Ihre Leser direkt an. In der Sie-Perspektive.
- Machen Sie es konkret. Mit passenden Beispielen.
- Formulieren Sie nahe am gesprochenen Wort.
So hat es die- oder derjenige gemacht, der dem Bundespräsidenten
zugearbeitet hat. Das ist nur beim ersten Mal mehr Arbeit, später können
Sie Ihren Text immer wieder anpassen. Und er wirkt dennoch persönlich.
zurück zur Übersicht
Mehr zu diesem Thema
Archäologischer Fund des Monats
Die helle und sonnige Wohnung ist ruhig im gartenseitigen Erdgeschoss gelegen. Sowohl der großzügige Wohnraum mit ca. 33 qm als auch die Küche bieten einen schönen Blick in den hauseigenen Garten. Eine dem Wohnraum vorgelagerte Südterrasse lädt zum Verweilen ein.
Goethe-Liebhaber („Verweile doch, Du bist so schön“) entzücken diese Zeilen vielleicht, praktisch denkende Wohnungssuchende dürften sie eher befremden. - Also vielleicht etwas mehr Prosa:
Die Wohnung ist sonnig und hell, sie liegt im Erdgeschoss zur Gartenseite hin. Der Wohnraum ist mit 33 Quadratmetern großzügig geschnitten. Ihr Blick fällt ins Grüne, durch eine Schiebetür treten Sie auf die Südterrasse– für eine Lesestunde im Liegestuhl oder ein Sommeressen mit Freunden.
Zeitgemäß formulieren - so kann es funktionieren:
Erzählen Sie einfach eine Geschichte. Nehmen Sie Ihre Leser an der Hand und führen Sie sie durch das Thema, in diesem Fall durch die Wohnung. Erzählen Sie Ihre Geschichte anschaulich und konkret, in einfachen Sätzen.
Helfen kann Ihnen dabei, wenn Sie sich zunächst in die Rolle Ihrer Leser
versetzen: Was könnte sie interessieren? Was wollen sie wissen? Was würde
ich wissen wollen, wenn ich in deren Situation wäre? Und was eher nicht?
An diesen Verständlichkeitsregeln habe ich mich orientiert:
-
Portionieren Sie Ihre Informationen, machen Sie kurze Sätze
-
Konkret ist besser als abstrakt
-
Wenn es passt: Schreiben Sie aus der Leserperspektive
Tipp des Monats: Reden Sie!
Haben Sie eine Hang zu abstrakten Formulierungen und zu komplizierten
Sätzen? Dann sprechen Sie zunächst über Ihr Thema. Erzählen Sie es
jemandem, der sich damit nicht so gut auskennt wie Sie. Sie formulieren
dann eher konkret, einfach, näher am Leben. Schreiben Sie es so auf.
Oder überprüfen Sie die Rohfassung Ihres Textes: Entstehen beim Lesen
Bilder im Kopf? Oder bleiben Wörter und Sätze blass? Die „Lesestunde im
Liegestuhl“ lässt Bilder entstehen, das „Verweilen“ tut es nicht. – Überlegen
Sie in diesem Fall: Wie würde ich das meiner Tante erzählen? Einem jungen
Mitarbeiter? Dann finden Sie Formulierungen, die näher am Leben sind.
zurück zur Übersicht
Mehr zu diesem Thema
Gruseltext des Monats
""Die außergewöhnliche Hotelanlage kann auf eine fast 1000jährige Geschichte zurückblicken und wird heute als modernes Tagungshotel betrieben. Als Mitglied bei den exzellenten Tagungshotels, den besten Tagungshotels in Deutschland und den ausgewählten Tagungshotels zum Wohlfühlen bürgt dies bereits für beste Qualität. Daher kann der Gast auch etwas Besonderes erwarten. 15 sehr schöne Tagungsräume mit modernster Technik sowie ein breites, sportliches Betätigungsfeld sowohl in der Halle als auch im Barockgarten garantieren eine störungsfreie Tagungsatmosphäre."
Diese Hotelwerbung kommt bedeutungsvoll daher, besteht aber fast
nur aus Allgemeinplätzen ohne echten Informationswert. Ehe ich hier
buche, würde ich es gerne etwas genauer wissen. Also vielleicht so:
Tagen in historischen Mauern: Schloss Schweinsburg bei Zwickau ist fast
1000 Jahre alt. Behutsam modernisiert und erweitert bietet es Ihnen einen
stilvollen Rahmen. Unsere Tagungsräume statten wir für Sie mit Beamer, Video
oder PC aus. Auf Wunsch betreuen wir Ihre Tagung komplett, vom Protokoll bis
zur Feedback-Auswertung. Nach der Arbeit steht Ihnen unsere Ballsporthalle
offen, auf Wunsch servieren wir Ihnen ein mittelalterliches Festmahl oder laden
Sie zu einer Trabi-Safari ein. Schloss Schweinsburg gehört zur Vereinigung der
besten Tagungshotels Deutschlands. Testen Sie uns! Wir freuen uns auf Sie.
Klar und verständlich formulieren - so funktioniert es:
Im Ausgangstext sind die Adjektive nichts sagend: außergewöhnlich, modernst, störungsfrei. Das sind Allgemeinplätze. Ich konkretisiere dies. Ich sage, was "modernst" bedeutet, ich beschreibe die besondere Atmosphäre des Hauses.
Menschen tauchen im Ausgangstext nur an eine Stelle auf: der Gast - obwohl
dieser Gast der Leser der Anzeige ist und damit der potenzielle Kunde. Der
Text ist distanziert, der Verfasser geht nicht in Kontakt zum Leser. Ich spreche
den Leser an: für Sie, Ihre Tagung, Ihnen, Testen Sie. Und ich zeige mich: Wir
arbeiten für Sie. Wir statten aus, wir betreuen, wir servieren, wir freuen uns.
Beim Texten habe ich mich an diesen Schreibregeln orientiert:
- Konkret ist besser als abstrakt
- "Das Subjekt soll leben, das Verb soll schwitzen": Texte werden
anschaulich, wenn das Subjekt des Satzes eine lebende Person ist
oder eine Gruppe - und wenn das Verb eine Tätigkeit ausdrückt
- Wenn Sie etwas vom Leser wollen: Gehen Sie in Beziehung zu ihm!
Tipp des Monats:
Gute Marketing-Texte zu schreiben ist eine Kunst. Gute Marketing-Texte zu schreiben ist ganz einfach - beides ist richtig. Es ist eine Kunst, mich mit meinem Text von der Masse der Mitbewerber abzusetzen. Andererseits ist es ganz einfach, weil viele Texte aus rundgeschliffenen Worthülsen bestehen.
Das heißt: Wenn ich Floskeln vermeide wie "Hier ist der Gast noch König", "die Seele baumeln lassen" oder "ein unvergessliches Erlebnis", habe ich schon einen großen Fehler vermieden: hohle Phrasen. Und wenn ich stattdessen klipp und klar sage, was der Kunde erwarten kann und was ich für ihn mache, dann habe ich auch viel gewonnen. Je konkreter ich formuliere, desto besser.
Warum spricht Sie ein Marketing-Text an, und warum werfen Sie einen anderen gleich in den Papierkorb? Es liegt nicht nur am Thema. Schärfen Sie Ihren Blick.
cleartext zum Mitmachen
"Die Wanderungen werden je nach Wetterlage ausgesucht und durchgeführt. Die Gehzeiten bewegen sich zwischen 4 und 7 Stunden. Eine gewisse Grundkondition sollte vorhanden sein, außerdem Trittsicherheit und Schwindelfreiheit."
Und:
"Nordic Walking - eine der beliebtesten Sportarten, für Alt und Jung, Frau und
Mann, die immer mehr Anhänger findet. Nordic Walking ist das ideale Herz-
Kreislauftraining und Muskeltraining für Alle! 85 Prozent der gesamten Muskulatur
werden trainiert, die Gelenke werden durch den Stockeinsatz geschont,
Verspannungen im Schulter- und Nackenbereich werden gelöst, eine Steigerung
der Sauerstoffaufnahme wird erreicht. Der Kalorienverbrauch ist im Vergleich zum
Walken um 20 Prozent höher."
Zwei Texte aus dem Katalog eines Alpinverbands. Wie bei Schloss Schweinsburg sind es Texte für potenzielle Kunden - aber Menschen kommen fast nicht vor. Wenn Sie mögen: Ändern Sie dies. Meine Version stelle ich Ihnen im August vor.
zurück zur Übersicht
Mehr zu diesem Thema
Gruseltext des Monats
"Es tut uns leid, dass Ihre Bahnreise nicht pünktlich verlief. Dafür entschuldigen wir uns. Leider können wir aufgrund der Komplexität des Bahnbetriebs und der Abhängigkeit vom reibungslosen Funktionieren der vielfältigen technischen Komponenten unserer Fahrzeuge und Anlagen, aber auch wegen möglicher Außeneinflüsse Zugverspätungen nicht vermeiden."
Die ersten beiden Sätze sind in Ordnung. Kurzzüge, klar und schnörkellos. Dann aber folgt ein nicht enden wollender Güterzug mit undurchsichtiger Fracht. Öffnen wir also die Waggontüren und laden den Inhalt etwas um:
"Wir sagen es offen: Zugverspätungen können wir nicht völlig auschließen. Für unsere Kunden schicken wir täglich 2000 Züge auf die Strecke. Bei der dichten Zugfolge kann schon ein einziger Signalausfall Folgen haben. Und Ihr Zug hatte wegen eines Sturms Verspätung. In diesen Fällen sind uns die Hände gebunden."
Klar und verständlich formulieren - so funktioniert es:
Unser Problemsatz hat zwei Baustellen: Länge und Inhalt. Mit 30 Wörtern ist der Satz zu lang, und der Weg vom Subjekt "wir" zum Prädikat "nicht vermeiden" ist zu weit. Ein Satz ist dann leicht verständlich, wenn zwischen Subjekt und Prädikat maximal sechs Wörter stehen. Hier sind es 25. Dies überfordert unser Kurzzeitgedächnis, das wir beim Lesen als Zwischenspeicher benutzen.
Mein erster Schritt ist deshalb: Ich ziehe Subjekt und Prädikat zusammen und
bilde aus dieser Kernaussage den ersten Satz. Dann kommt ein Punkt, und dann
folgen die einzelnen Erklärungen. Insgesamt entstehen so fünf kurze Sätze.
Baustelle Nummer zwei sind die Inhalte: Der Originalsatz ist völlig abstrakt. Ein
Außenstehender muss raten, was gemeint sein könnte. Hier orientiere ich mich
am Grundsatz "konkret ist besser als abstrakt" und arbeite mit Beispielen.
Tipp des Monats
Wenn Sie einen Geschäftsbrief schreiben: Denken Sie vom Leser her.
Was will er wissen? Welches Vorwissen hat er, was können Sie voraussetzen,
was müssen Sie erklären? Welche Begriffe, Sachverhalte, Zusammenhänge?
Und: Stellen Sie eine Beziehung her. Schreiben Sie "Wir" und "Sie", und machen Sie dieses Wörter zum Subjekt des Satzes. Vermeiden Sie Passivkonstruktionen.
Die "Wir"-Regel hat die Bahn berücksichtigt. Dennoch wirkt der Text seltsam zweigeteilt. Die ersten beiden Sätze atmen ein modernes Servicedenken, der dritte wirkt wie ein Relikt aus der Vorzeit. - Ob die Bahn hier eine alte Vorlage verwendet und diese mit zwei vorangestellten Sätzen aufgehübscht hat?
zurück zur Übersicht