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Juristensprache

 

Heute macht der cleartext-Newsletter einen Ausflug ins Gericht.
Auch dort sind klare und verständliche Texte kein Schaden.


Gruseltext des Monats

"Da Deutschland, das im vorliegenden Verfahren zu seiner Verteidigung den generischen Charakter des Begriffs „Parmesan“ einwendet, noch nicht einmal in Bezug auf Deutschland selbst Beweis angetreten hat, um seine Behauptung, der Begriff „Parmesan“ sei in Deutschland zu einer Gattungsbezeichnung geworden, in nennenswerter Weise zu substantiieren, ist die Verwendung des Wortes „Parmesan“ für Käse, der nicht der Spezifikation der g. U. „Parmigiano Reggiano“ entspricht, im vorliegenden Verfahren als Verletzung des durch Art.
13 Abs. 1 Buchst. b der Grundverordnung für diese g. U. gewährten Schutzes zu betrachten."

Dies erklärte der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH)
im Prozess um die Frage, ob auch deutsche Käsehersteller den Begriff "Parmesan" auf ihre Verpackungen drucken dürfen. Mit 98 Wörtern hält
dieser Satz Rang zwei auf der ewigen Gruseltext-Bestenliste. Greifen
wir also zur Käsereibe und machen das Ganze etwas mundgerechter:

Deutschland verteidigt das Vorgehen seiner Käsehersteller mit dem Argument, "Parmesan" sei heute ein Gattungsbegriff für eine bestimmte Käsesorte. Das müsste dann allerdings auch in Deutschland der Fall sein. Dies konnte die Bundesregierung indes nicht beweisen. Damit steht aus unserer Sicht fest:"Parmesan" ist die geschützte Ursprungsbezeichnung für „Parmigiano Reggiano“ aus Oberitalien. Die Verwendung für Käse aus anderen Gebieten verstößt gegen Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der EU-Verordnung 517/2006. Für das aktuelle
Verfahren bedeutet dies: Käse aus Deutschland darf nicht "Parmesan" heißen.

Klar und verständlich formulieren - so funktioniert es:

Die Ursprungsversion ist ein klassischer Schachtelsatz. Er beginnt mit einem Nebensatz, in den drei weitere Teilsätze eingebaut sind. Auch der Hauptsatz"die Verwendung des Wortes Parmesan (ist) als Verletzung .. zu betrachten" ist durch einen Relativsatz unterbrochen. Dies macht das Ganze unverdaulich.

In meiner Version gehe ich schrittweise vor: zunächst die Argumentation der Bundesregierung, deren Konsequenz und der fehlende Nachweis. Das sind die ersten drei Sätze. Dann kommt die Schlussfolgerung des Generalanwalts - in Satz vier und fünf. Im sechsten Satz ziehe ich das Fazit für den aktuellen Rechtsstreit. Unter dem Strich schrumpft der Text von 98 auf 82 Wörter. Einmal mehr ein Beleg dafür: Mehr Sätze machen einen Text nicht länger.

Beim Texten habe ich mich an diesen Schreibregeln orientiert:

  • zwei (oder mehrere) kurze Sätze sind besser als ein langer
  • erst der Hauptsatz, dann der Nebensatz
  • konkret ist besser als abstrakt
  • Wörter aus dem Leben bringen Leben in den Text

PS: Inzwischen hat der EuGH den Fall entschieden: Deutsche Käsereien dürfen Parmesan herstellen, ihn aber nicht "Parmesan" nennen. Na dann.


Tipp des Monats: an die Gefühle des Lesers denken

Bei komplexen Sachverhalten laufen wir Gefahr, unsere Sätze zu überladen. Besonders groß ist das Risiko, wenn wir innerhalb eines einzelnen Satzes einen inhaltlichen Zusammenhang herstellen wollen: wenn-dann, weil-deshalb. Dadurch werden unserer Sätze fast zwangsläufig lang und verschachtelt.

Niemand verlangt von Ihnen, dass Sie diesen Zusammenhang innerhalb eines einzigen Satzes herstellen müssen. Lösen Sie sich von diesem Zwang. Packen Sie einen Aspekt in den ersten Satz, den nächsten in den zweiten.

Den inhaltlichen Bezug machen Sie mit Scharnier-Formulierungen deutlich:"Als Folge davon", "Deshalb", "In diesem Fall" - oder bei unserem Parmesan- Beispiel: "Damit steht ... fest" und "Für das aktuelle Verfahren bedeutet dies".

 


cleartext zum Mitmachen

"Ein für Rostock und das Land Mecklenburg-Vorpommern einzigartiges
Bauvorhaben wird in nur wenigen Monaten abgeschlossen sein und damit für die Biomedizin neue Standards in Sachen Technologiekompetenzzentrum setzen. In unmittelbarer Nähe zur universitären Forschung bieten unter einem architektonisch geschickt betonten Dach hochmodernste Arbeitsflächen quasi auf dem Universitätsklinikum einmalige Chancen für einen intensiven Austausch zwischen Grundlagenwissenschaftlern, klinisch tätigen Forschern und jungen Unternehmern auf dem Weg zu neuen Therapiemöglichkeiten."

Diese Sätze stammen aus einem Fachartikel über das neue Biomedizinische Forschungszentrum in Rostock. Der zweite Satz hat 39 Wörter und liegt damit deutlich über der kritischen Grenze von 20 Wörtern.

Wenn Sie mögen: Engagieren Sie sich für Mecklenburg-Vorpommerns Zukunft und schreiben Sie diese Sätze neu. Meine Version stelle ich Ihnen im April vor.


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