Passend zum Herbst stellt der cleartext-Newsletter heute
zwei Auslaufmodelle vor: Nordkorea und den Flughafen
Berlin-Tempelhof. Beide hätten eine kreative PR bitter
nötig.
Gruseltext des Monats
"Für alle offiziellen Nachrichten, die aus Nordkorea kommen, gilt, dass sie
nicht mit der Wahrheit, sondern mit den propagandistischen Absichten eines
im wahrsten Sinne des Wortes totalitären Staatsapparats übereinzustimmen
haben. Insbesonders gilt dies für alles, was mit dem Führer der Nordkoreaner,
Kim Jong Il, zu tun hat. In einem System, das keine zivilisierte Übergabe der
Macht kennt, muss selbstverständlich der Gesundheitszustand des Diktators
ein Staatsgeheimnis sein."
Eine Passage aus der Neuen Zürcher Zeitung. Das Blatt ist berühmt für
das Wissen seiner Korrespondenten - und bisweilen berüchtigt für deren
Stil. Ich sage: Bei den Sätzen darf es gerne etwa schlichter zugehen:
Für alle offiziellen Nachrichten aus Nordkorea gilt: Sie müssen nicht mit der Wahrheit übereinstimmen, sondern mit den propagandistischen Absichten eines totalitären Staatsapparats. Dies gilt vor allem für Informationen über den Diktator Kim Jong Il. Nordkorea kennt keine zivilisierte Übergabe der Macht, und Kims Gesundheitszustand wird dadurch zwangsläufig zum Staatsgeheimnis.
Klar und verständlich formulieren - so funktioniert es:
Im ersten Satz steht die Hausptaussage in einem dass-Nebensatz, und dieser
ist zusätzlich geteilt - das entscheidende Verb kommt erst ganz am Ende. Ich
setze nach dem "gilt" einen Doppelpunkt und mache danach mit einem neuen
Hauptsatz weiter. Das Verb ziehe ich in die Satzmitte, vor das "sondern". Den
zweiten Satz fasse ich kürzer: aus dem Nebensatz wird ein "Informationen".
Im dritten Satz löse ich die Schachtelkonstruktion auf. Aus dem eingeblockten
Relativsatz "das keine ... kennt" mache ich einen eigenen Hauptsatz.
Beim Texten habe ich mich an diesen Schreibregeln orientiert:
- Hauptaussagen gehören nicht in Nebensätze, sondern in Hauptsätze
- weg mit überflüssigen Nebensätzen
- bei langen Satzkonstruktionen muss das Verb möglichst weit nach vorn
- weg mit Schachtelsätzen. Erst der Hauptsatz, dann der Nebensatz
Tipp des Monats:
Profitieren Sie von guten Texten anderer. Früher hatte ich an dieser Stelle schon einmal geschrieben: Sie lesen einen Text, und er gefällt Ihnen. Er liest sich wie von selbst, und der Inhalt wird auf Anhieb klar. Mit einem anderen Text müssen Sie sich mühen oder einzelne Sätze sogar mehrmals lesen.
Schauen Sie genau hin: Was macht den einen Text klar und verständlich? Was macht den anderen sperrig? Hat der Autor seine Sätze überfrachtet? Sind sie zerrissen? Und was macht den ersten Text so verständlich? Ist es die Länge der Sätze? Die Wortwahl? Wo sitzen Subjekt und Prädikat?
Damit verändert sich Ihr Blick auf fremde Texte. Das ist ein wichtiger Schritt auf Ihrem eigenen Weg, klare Sätze und gute Texte zu schreiben.
Heute sage ich noch: Sammeln Sie gute fremde Texte. Legen Sie sich einen kleinen Fundus an mit gelungenen Formulierungen, mit kurzen und klaren Erklärungen zu komplizierten Sachverhalten. Wenn jemand anderer eine Sache besser erklären kann als Sie: Ärgern Sie sich nicht. Schauen Sie lieber hin, wie der andere es gemacht hat - und machen Sie es beim nächsten Mal genauso.
cleartext zum Mitmachen
"Von oben hat man einen weiten Blick über das Gelände, und man sieht, dass nicht nur das riesige Gebäude, sondern auch die enorme Fläche ein Problem sind. Da wäre Platz für einen ganzen Stadtteil. Doch den braucht in einer Stadt, in der es schon als Erfolg gilt, wenn die Bevölkerung stagniert, wohl niemand."
Diese Sätze stammen aus einem Bericht über die ungewisse Zukunft des legendären Flugplatzes Berlin-Tempelhof nach der Schließung Ende Oktober.
Der Autor hat sich angepasst: Vom Satzbau her hat er sich etwas verloren in der gigantischen Weite des Feldes. - Wenn Sie mögen: Schlagen Sie ein paar grammatikalische Pflöcke ein. Meine Version stelle ich Ihnen im November vor.
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