Im Urlaub erleben wir bisweilen, wie gut uns klare und
einfache Worte tun: im Gespräch mit Freunden, in einem
geradlinigen Buch. Ach, ginge das doch auch im Alltag!
Es geht – eine Idee dazu finden Sie in diesem Newsletter.
Klarspülprogramm des Monats
„Versteht Ihre Frau das?“ fragte der Professor, als Jürgen O. ihm seine Dissertation „Beschreibung der Austenitisierungsvorgänge unlegierter und legierter Stähle bei induktiver Schnellerwärmung“ überreichte.
Der Autor war nicht ganz sicher. „Schreiben Sie es so, dass Ihre Frau
es versteht“, sagte der Professor. Das hieß: noch einmal.
Das schrieb der Berliner „Tagesspiegel“ jüngst im Nachruf auf einen
Naturwissenschaftler. Unter dem Gender-Aspekt atmet dieser Rat den
Geist der 1960er Jahre, doch die Botschaft selbst hält auch heute
noch stand: Schreibe so, dass auch ein Laie Dich verstehen kann.
Und wie schaffen wir das? Mit konkreten, anschaulichen Begriffen; mit Beispielen; mit Formulierungen aus dem Alltag. In meinen „Regeln des verständlichen Schreibens“ formuliere ich dies so:
- konkret ist besser als abstrakt
- ein Beispiel ist Gold wert
- Wörter aus dem Leben bringen Leben in den Text
Aus „Kapazitätsengpässen im Beherbergungsgewerbe“ werden so „zu
wenige Hotelbetten“. Und „Der Weinabsatz im Inland weist im ersten
Halbjahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum keine Veränderungen auf" verwandelt sich in „Die Bundesbürger haben im ersten Halbjahr so viel
Wein gekauft wie in den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres.“
Konkret und lebensnah formulieren – so kann es gehen:
Treten Sie innerlich einen Schritt vor Ihrem Thema zurück. Fragen Sie
sich: Was bedeutet das konkret? Wo sind hier Menschen? Wie wirkt
sich das Ganze auf Menschen aus? Wie würde ich diesen Sachverhalt
meinem Neffen erzählen, meiner Mutter, meinem Großvater?
Oder machen Sie den Laientest: Erzählen Sie das Ganze jemandem, der Ihr Thema nicht kennt. Sie formulieren instinktiv näher an der Alltagssprache. Hören Sie sich dabei zu, und schreiben Sie es so auf.
Tipp des Monats: Was die Kanzlerin rät
In meinen Seminaren stoßen diese Schreibregeln bisweilen auf Kritik.
Manche Teilnehmende äußern die Sorge, ihre Texte könnten zu simpel
werden und ihren Experten-Ruf gefährden. Ein Teilnehmer beklagte,
sein umgeschriebener Text klinge „wie in der Sendung mit der Maus“.
In den Chefetagen sieht man das anders: „Je einfacher, desto besser“,
hieß es aus einem Büro der ersten Riege. Und die Kanzlerin formulierte es vor
Wissenschaftlern noch drastischer: Verständliche Texte sind ein Muss.
„Bundeskanzlerin Merkel hat die deutsche Wissenschaft aufgerufen, die
Gesellschaft stärker an ihren Erkenntnissen teilhaben zu lassen. Dazu
müssten sich die Forscher einer Sprache bedienen, die sowohl für die
Bürger verständlich sei als auch für die Politik, die Entscheidungen
treffen müsse, sagte die Kanzlerin auf einer Festversammlung zum
60-jährigen Bestehen der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Bonn.“
(Deutschlandfunk-Nachrichten 6. Juli 2011, 20.00 Uhr)
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