Schreiben Sie gerne Bettelbriefe? In denen Sie Ihr Gegenüber um Geld bitten? Keine einfache Angelegenheit, auch wenn es um eine gute Sache geht. In diesem Newsletter erfahren Sie, wie Sie Sponsoring-Briefe klar und schnörkellos formulieren.
Marathon-Anlauf des Monats
Wie Sie sicherlich wissen, hat sich die Ruperto Carola in der zweiten Runde
der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern erneut mit allen sechs
Projekten im Wettbewerb gegen starke Konkurrenz durchsetzen können.
So beginnt ein Brief des Rektors der Universität Heidelberg an die Alumni
der Hochschule. Es folgen Zahlen und ein Blick in die Zukunft. Ganz unten
auf der Seite dann ein erster Hinweis auf den Zweck dieses Schreibens:
Um international im Wettbewerb um die besten Köpfe erfolgreich bleiben
zu können und diejenigen für Heidelberg zu gewinnen, die Zukunft durch
ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse mitgestalten wollen und können, ist
die Ruperto Carola auf zusätzliches (jetzt die neue Seite) Geld angewiesen.
Konkret wird der Rektor aber noch nicht. Erst nach einem weiteren Absatz
mit Zukunftsplänen ein neuer Anlauf: … sind wir für jede Unterstützung
dankbar. Mit diesem Brief möchte ich Sie bitten, uns … zur Seite zu stehen.
40 Zeilen dauert dieser Brief schon. Im vorletzten Satz geht es zur Sache:
Ich würde mich sehr freuen und es als große Bestätigung unseres Vorhabens verstehen, wenn Sie bereits jetzt durch eine freie Zuwendung in den
ZUKUNFTSFONDS RUPERTO CAROLA oder die konkrete Unterstützung des
FONDS WISSENSCHAFTLICHES ERBE ein Zeichen setzen.
Spannen Sie Ihre Leser nicht auf die Folter
Ich weiß nicht, wie viele Alumni diesen Brief zu Ende gelesen haben. Forscher
sagen jedenfalls: Bei Texten der Kategorie „Kann ich lesen, muss ich aber nicht“ entscheidet jeder Zweite nach dem ersten Satz, ob er weiterliest oder nicht.
Schlecht für den Rektor, denn sein erster Satz signalisiert: Alles ist bestens.
Chance Nummer zwei: Nach … ist die Ruperto Carola auf zusätzliches Geld
angewiesen merken die auf, die so weit gelesen haben. Aber der Rektor fasst
nicht nach. So verliert er weitere Leser. Seine Bitte am Ende kommt zu spät.
Die Falle: Der Brief folgt dem klassischen Aufbau wissenschaftlicher Texte, er
ist induktiv (hinführend): Lage und Probleme > mögliche Lösungen > Fazit.
Die Kernaussage steht am Ende. Aber so funktioniert Lesen heute nicht mehr.
Packen Sie den Stier bei den Hörnern
Stellen Sie Ihre Kernaussage ganz nach vorne. Oder reißen Sie sie dort
zumindest an, am besten schon im ersten Satz. Also vielleicht so:
Darf ich Sie einladen, uns bei einem ehrgeizigen Projekt zu unterstützen?
Bei dem Projekt, Ihre Universität noch weiter nach vorne zu bringen?
oder auch so:
Dieser Brief enthält eine Erfolgsmeldung und eine Einladung für Sie. Die
Erfolgsmeldung: Ihre Universität hat ein hervorragendes Jahr hinter sich,
in Deutschland und im internationalen Ranking. Die Einladung an Sie:
Unterstützen Sie uns, damit wir auf diesem Weg weitergehen können.
Diese Direktheit befreit. Denn das Heikelste haben Sie damit schon
hinter sich. Jetzt können Sie erklären, warum Sie die Unterstützung
der Leser benötigen und was genau Sie mit dem Geld anfangen wollen.
Der Vorteil dieses deduktiven (absteigenden) Aufbaus: Die Leser wissen,
warum Sie Ihre Pläne schildern. Warum Sie schreiben, dass die Gelder
vom Staat nicht reichen. Und selbst der flüchtige Leser sieht Ihre Bitte.
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Fettnapf des Jahres
Ausnahmsweise soll an dieser Stelle kein Zitat stehen. Nur so viel: Pünktlich zur Adventszeit erhält Herr M. dieser Tage Post von einem Geschäftspartner. Dank, Anerkennung und Hoffnung auf fürderhin gedeihliche Zusammenarbeit. Ein sehr persönlicher Brief.
Herr M. ist gerührt. Das es so etwas noch gibt. Mitten in der vorweihnachtlichen Hektik nimmt sich der Partner Zeit, ihm zu schreiben. Doch was ist das? Dieser überaus lobende Satz kommt Herr M. seltsam bekannt vor. Wo hat er ihn nur schon gelesen?
Des Rätsels Lösung findet sich in der Ablage: Herr M. hat diesen Brief schon einmal bekommen. Im vergangenen Jahr. Vom selben Absender. Der Brief hatte sich abgehoben vom Einheitsstil der geschäftlichen Weihnachtspost. Deshalb hatte er ihn aufbewahrt. Herr M. schluckt. Jetzt wirkt der schöne Brief plötzlich schal.
Ihre Firmen-Weihnachtspost - Sie haben die Wahl
Am schnellsten geht es mit Weihnachtskarten von der Stange.
Unterschreiben, Adresse aus dem Computer, fertig. Das schaffen Sie notfalls auch jetzt noch. Aber überlegen Sie: Was machen Sie
selbst mit dieser Art Post? Sie schauen sie an und werfen wie weg.
Die Alternative: Sie entwerfen einen Brief. Mit einem allgemeinen Teil für alle Geschäftspartner. Dieses Jahr war für unsere Branche nicht einfach. Im Sommer machten wir uns alle große Sorgen, aber jetzt haben wir die schwierigste Zeit hoffentlich hinter uns.
Um diesen Kern bauen Sie einen persönlichen Einstieg und Schluss.
Danke, dass Sie auch in diesem Jahr unser Partner waren. Danke
für Ihr Engagement bei der gemeinsamen Lösung von X und Y.
Schon in der Form eines Computerbriefs schlägt diese Version die Karte aus dem Schreibwarenladen um Längen. Sie können aber noch einen Schritt weiter gehen und Ihre Weihnachtspost drucken lassen. Oder Sie schreiben die persönlichen Passagen von Hand.
Tipp des Monats
Mehrarbeit kurz vor Weihnachten - das hat Ihnen noch gefehlt. Wo
Sie ohnehin schon nicht wissen, wie Sie alles bewältigen sollen. In
diesem Fall hilft nur die Lösung von der Stange. Augen zu und durch.
Widerstehen Sie der Versuchung, den Brief vom Vorjahr zu recyclen.
Sagen Sie nicht: Das merkt doch keiner. Die Geschichte von Herr M.
ist nicht erfunden. Und wie würden Sie sich an seiner Stelle fühlen?
Im nächsten Jahr können Sie es besser machen. Schreiben Sie sich
das Thema Weihnachtspost für Oktober in den Kalender. Dann können
Sie in Ruhe planen. Im November texten Sie und geben das Ganze in
Druck. Anfang Dezember sind Briefe oder Karten fertig. Jetzt haben Sie
Zeit, jeden Tag ein paar davon persönlich zu ergänzen und zu
unterschrieben. Mitte Dezember geben Sie alles zur Post. Voila.
Das klingt wie ein Weihnachtsmärchen, aber es ist wahr. Ich habe
es ausprobiert, das Ergebnis sehen Sie hier. Frohe Weihnachten!
Die Wunschbox
Sitzen Sie am einem Text oder Brief? Und sagen: Er ist noch nicht so, wie ich will. Wie formuliere ich es anders? Wie erkläre ich diesen Sachverhalt?
Schicken Sie mir den Text. Schreiben Sie dazu: In welchem Zusammenhang steht er, an wen richtet er sich, was würden Sie gerne anders ausdrücken?
Schreiben Sie an newsletter@cleartext.de, Stichwort "Wunschbox" oder an cleartext, Oranienburger Straße 33, 10117 Berlin. Je kürzer, desto besser.
Sie bekommen von mir einen Lösungsvorschlag. Und wenn Sie einverstanden sind, stelle ich Ihren Text hier vor - anonymisiert und ohne Namensnennung. Als Beispiel dafür, was cleartext leistet. Dieser Service kostet Sie nichts.
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