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Entschuldigung

 

Doch, doch: Die Deutsche Bahn macht sich. Beim Thema
Entschuldigungen ist sie schon fast ein Vorbild. Aber selbst
Gutes lässt sich verbessern. In diesem Newsletter erfahren
Sie, wie Sie eine Entschuldigung schnörkellos formulieren.


Stellen Sie Ihr Gegenüber in den Mittelpunkt

Sehr geehrter Herr I., hinter uns allen liegen anstrengende Monate. Ungewissheit statt zuverlässiges Angebot und eingeschränkte Verbindungen statt Mobilität bestimmten aufgrund des Streiks Ihre Reisepläne. Ihre Geduld wurde dabei immer wieder auf die Probe gestellt und vermutlich haben Sie sich manches Mal im Stich gelassen gefühlt.

Ein guter Einstieg. Die Bahn beschönigt nichts. Sie stellt die Fahrgäste in den Mittelpunkt und greift deren Gefühle auf. Die Leseforschung hat herausgefunden, dass beides gut ankommt. Beim Lesen löst es aus: Die nehmen mich ernst.

Ein Detail: Der zweite Satz wirkt etwas überfrachtet, den Streik würde ich in den dritten Satz packen: … bestimmten Ihre Reisepläne. Durch den Streik wurde Ihre Geduld …

Aber werfen Sie sich nicht in den Staub

Dafür möchten wir uns bei Ihnen in aller Form entschuldigen. Dafür, dass wir Ihnen nicht das Angebot bieten konnten, das Sie verdient und vor allem auch bezahlt haben. Dafür, dass ihnen durch Zugausfälle und –verspätungen viele Unannehmlichkeiten entstanden sind.

Jetzt trägt die Bahn etwas zu dick auf. Aus einem Ticketkauf erwächst zwar eine berechtigte Erwartung, aber das ist kein „Verdienst“. Und warum möchten? – Das geht einfacher:

Dafür bitten wir Sie in aller Form um Entschuldigung. Wir konnten Ihnen nicht das Angebot bieten, das Sie als Kunde zu Recht erwarten können. Stattdessen entstanden Ihnen Unannehmlichkeiten durch Verspätungen und Zugausfälle.

Zeigen Sie Größe – in aller Bescheidenheit

… Wir wissen, dass man Zeit und verpasste Momente, ganz gleich ob beruflicher oder privater Natur, nicht durch Geld ersetzen kann. Dennoch haben wir uns erlaubt, Ihnen als kleines Trostpflaster für die vergangenen Monate Upgrade- Gutscheine für die 1. Klasse beizulegen, mit denen Sie auf Ihren nächsten Bahnfahrten gratis erstklassigen Komfort genießen.

Jetzt bekommt die Bahn Oberwasser: Wir wissen - haben wir uns erlaubt. Und verteilt dann ein kleines Trostpflaster. Ein gütiger Großer streicht einem weinenden Kind über den Kopf. Schließlich der Werbeslogan erstklassigen Komfort genießen. Ich würde meine Zunge hier im Zaum halten:

Zeit und verpasste Termine (Momente) kann man nicht durch Geld ersetzen. Bitte betrachten Sie die beigefügten Upgrade-Gutscheine dennoch als kleinen Ausgleich. Sie können damit gratis in die
1. Klasse wechseln. Gute Reise!



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Gruseltext des Monats

"Es tut uns leid, dass Ihre Bahnreise nicht pünktlich verlief. Dafür entschuldigen wir uns. Leider können wir aufgrund der Komplexität des Bahnbetriebs und der Abhängigkeit vom reibungslosen Funktionieren der vielfältigen technischen Komponenten unserer Fahrzeuge und Anlagen, aber auch wegen möglicher Außeneinflüsse Zugverspätungen nicht vermeiden."

Die ersten beiden Sätze sind in Ordnung. Kurzzüge, klar und schnörkellos. Dann aber folgt ein nicht enden wollender Güterzug mit undurchsichtiger Fracht. Öffnen wir also die Waggontüren und laden den Inhalt etwas um: 

"Wir sagen es offen: Zugverspätungen können wir nicht völlig auschließen. Für unsere Kunden schicken wir täglich 2000 Züge auf die Strecke. Bei der dichten Zugfolge kann schon ein einziger Signalausfall Folgen haben. Und Ihr Zug hatte wegen eines Sturms Verspätung. In diesen Fällen sind uns die Hände gebunden."    

Klar und verständlich formulieren - so funktioniert es:

Unser Problemsatz hat zwei Baustellen: Länge und Inhalt. Mit 30 Wörtern ist der Satz zu lang, und der Weg vom Subjekt "wir" zum Prädikat "nicht vermeiden" ist zu weit. Ein Satz ist dann leicht verständlich, wenn zwischen Subjekt und Prädikat maximal sechs Wörter stehen. Hier sind es 25. Dies überfordert unser Kurzzeitgedächnis, das wir beim Lesen als Zwischenspeicher benutzen.

Mein erster Schritt ist deshalb: Ich ziehe Subjekt und Prädikat zusammen und bilde aus dieser Kernaussage den ersten Satz. Dann kommt ein Punkt, und dann folgen die einzelnen Erklärungen. Insgesamt entstehen so fünf kurze Sätze.

Baustelle Nummer zwei sind die Inhalte: Der Originalsatz ist völlig abstrakt. Ein Außenstehender muss raten, was gemeint sein könnte. Hier orientiere ich mich am Grundsatz "konkret ist besser als abstrakt" und arbeite mit Beispielen.

 


Tipp des Monats

Wenn Sie einen Geschäftsbrief schreiben: Denken Sie vom Leser her.
Was will er wissen? Welches Vorwissen hat er, was können Sie voraussetzen, was müssen Sie erklären? Welche Begriffe, Sachverhalte, Zusammenhänge?

Und: Stellen Sie eine Beziehung her. Schreiben Sie "Wir" und "Sie", und machen Sie dieses Wörter zum Subjekt des Satzes. Vermeiden Sie Passivkonstruktionen.

Die "Wir"-Regel hat die Bahn berücksichtigt. Dennoch wirkt der Text seltsam zweigeteilt. Die ersten beiden Sätze atmen ein modernes Servicedenken, der dritte wirkt wie ein Relikt aus der Vorzeit. - Ob die Bahn hier eine alte Vorlage verwendet und diese mit zwei vorangestellten Sätzen aufgehübscht hat? 


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