Bei manchen Texten geht uns ein Licht auf – mag das Thema auch sperrig sein. Andere Texte lassen uns im Dunkeln sitzen. In diesem Newsletter erfahren Sie, woran das liegt. Und wie Sie ein Thema so aufbereiten, dass Ihre Leser Sie verstehen.
Ratespiel des Monats
Eine Weitsichtigkeit kann man in jungen Jahren häufig vollständig
ausakkommodieren, dies fällt um so leichter je weniger man Tätigkeiten
in naher Umgebung ausübt, im Vergleich zu einem Kurzsichtigen fällt die
Abhängigkeit zu einer Brille meist wesentlich geringer aus.
Dieser Informationstext ist gedacht für Menschen, die eine Brille tragen
und wissen wollen, was es mit dieser Weitsichtigkeit auf sich hat. Doch
Laien dürften sich schwer tun mit diesem Text. – Einfacher wäre es so:
Bei jungen Menschen kann das Auge eine Weitsichtigkeit oft von sich aus
ausgleichen. Weitsichtige kommen in jungen Jahren also eher ohne Brille
aus als Kurzsichtige. Leicht fällt dies vor allem denen, die bei der Arbeit
eher in die Ferne schauen als in die Nähe. Ein weitsichtiger Fahrradkurier
kommt also eher ohne Brille aus als eine weitsichtige Webdesignerin.
Komplexes für Laien erklären – so kann es gehen
Baustelle Nummer eins: Fachbegriffe. Eine Augenärztin weiß, was
„ausakkomodieren“ bedeutet, ich als normaler Brillenträger weiß es in
der Regel nicht. Überlegen Sie also zunächst: Schreibe ich für Insider
oder für Laien? Was kann ich voraussetzen, was muss ich erklären?
Baustelle Nummer zwei: Sache oder Mensch. Die Leseforschung
sagt: Am leichtesten verstehen wir „Wer-tut-was“-Sätze: Das Subjekt
ist ein Akteur, das Prädikat drückt eine Aktion aus oder eine Bewegung.
Baustelle Nummer drei: abstrakt oder konkret. Dies fällt um so leichter
je weniger man Tätigkeiten in naher Umgebung ausübt ist abstrakt, es
lässt einen beim Lesen rätseln. Konkret ist dagegen Leicht fällt
dies vor allem denen, die bei der Arbeit eher in die Ferne schauen als in die Nähe.
Fazit: Denken Sie an den Wissensstand Ihrer Leser. Bringen Sie Akteure
ins Spiel. Formulieren Sie konkret und nahe am gesprochenen Wort.
Praxistipp I: Ein Beispiel ist Gold wert
Ein weitsichtiger Fahrradkurier kommt also eher ohne Brille aus als eine
weitsichtige Webdesignerin. Mit zwei Beispielen unterfüttert dieser Satz,
was im Satz davor steht. Wer den ersten Satz auf Anhieb verstanden hat,
kann sie überfliegen. Wer gerätselt hat, bekommt jetzt die Auflösung.
Fazit II: Beispiele sind wichtig, sie zaubern uns Bilder in den Kopf. Es ist
kein Zufall, dass wir auch im Gespräch so vorgehen. Erklärt uns jemand
eine Sache abstrakt, sagen wir oft „Kannst Du mal ein Beispiel nennen?“
Mit dem europäische Qualifikationsrahmen will die EU erreichen, dass
sich die Bildungsabschlüsse der Mitgliedsländer besser vergleichen lassen.
So soll etwa ein Betrieb in Spanien sofort erkennen können, ob eine
Bewerberin aus Deutschland für die ausgeschriebene Stelle qualifiziert ist.
(Aus einem Internet-Artikel einer Bundestagsfraktion)
Praxistipp II: Erkläre Unbekanntes mit Bekanntem
Beim Auto eine Selbstverständlichkeit, bei Holzkesseln noch nicht üblich:
die regelmäßige Wartung und Inspektion durch den Fachmann.
(aus einer Verbraucher-Information des Umweltbundesamts)
Weil die Einnahmen aus Steuern und Abgaben längst nicht mehr reichen,
halten sich immer mehr Städte und Gemeinden mit kurzfristigen Kassen-
krediten über Wasser – sie überziehen gewissermaßen
ihr Girokonto.
(Süddeutsche Zeitung - aus einem Bericht zum Thema Kommunalfinanzen)
Ermanno Borra hatte die Idee, eine runde Form zu bauen, flüssiges
Quecksilber hineinzugießen und das Ganze rotieren zu lassen. Im Nu
wölbten die Fliehkräfte die Quecksilber-Oberfläche zu einer konkaven
Parabolform - wie ein Tee, der schnell gerührt wird. Bora erkannte:
Das ist die ideale Form für einen Teleskopspiegel.
(SZ–Bericht über neuartige Parabolspiegel zur Beobachtung des Mondes)
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