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Je gebildeter wir sind, desto komplizierter schreiben wir.
Dieses geheime Leitprinzip klassischer deutscher Bildung
bröckelt nur langsam. Dabei lassen sich kluge Gedanken
genauso gut in einfache Sätze fassen. Sehen Sie selbst.


Irrgarten des Monats

Die Schuld am Stillstand, stellt der Autor fest, trügen neben Europa,
dessen Entwicklungspolitik sich „heuchlerisch zwischen der Bewahrung
eigener Interessen und der leeren Verkündigung von Menschenrechts-
versprechen“ bewege, vor allem die politischen Eliten Afrikas.

Es ist ein weiter Weg von Europa nach Afrika – diese Erkenntnis
liefert der Autor einer Buchrezension mit diesem Satz gratis mit.
Als Leser kann ich mich unterwegs verirren. Doch es gibt Pfade:


Die Schuld am Stillstand sieht der Autor auf beiden Seiten. Europas
Entwicklungspolitik bewege sich „heuchlerisch zwischen der Bewahrung eigener Interessen und der leeren Verkündigung von Menschenrechtsversprechen“. Schuld trügen aber auch die politischen Eliten Afrikas. 

Übersichtliche Sätze schreiben - so kann es funktionieren:


Gerade bei komplexen Sachverhalten mit mehreren Teilaspekten
bietet sich ein Anlauf in zwei Schritten an: zuerst eine grobe
Orientierung, eine Art vorgezogenes Fazit. Dann erst die Details:

 „Probleme sieht X an zwei Stellen: bei A und B. A funktioniere nicht,
weil … Und für B fehle das Geld.“ Oder: „Das Produkt hat drei Vorteile.
Es ist leicht zu bedienen, es braucht wenig Platz, und es kostet wenig.
Mit Blick auf ältere Kunden verzichtete X auf unnötige Gimmicks …“

Mit diesem zweistufigen Aufbau löse ich auch das Problem, wohin ich
die Details packe. Im Ausgangstext stehen sie in einem eingeblockten
Nebensatz. Dieser lange Schachtelsatz zerreißt die Hauptaussage.    

Sind die Details zum ersten Aspekt sehr umfangreich, greife ich zu
Beginn des zweiten Aspekts nochmals auf das Fazit zurück. – Beim
Afrika-Beispiel mit der Formulierung „Schuld trügen aber auch …“ 

An diesen Verständlichkeitsregeln habe ich mich orientiert:

  1. Geben Sie dem Leser zunächst eine Orientierung

  2. Geben Sie jedem Hauptgedanken einen eigenen Satz

  3. Unterbrechen Sie einen Satz nicht durch einen Nebensatz


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Diätkandidat des Monats

"Weiß ist die vorherrschende Farbe im gepflegte Eleganz verströmenden Foyer. Beim Betreten der Villa von der Heydt, die ihre ganz eigene Geschichte zu erzählen hat, um die es aber hier nicht gehen soll, muss ich zunächst dem Impuls widerstehen, beim Pförtner ein Museumsticket zu lösen. Die Hauptverwaltung der größten deutschen Kultureinrichtung, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, ist zugleich auch der Sitz des Präsidenten, dem die staatlichen Museen die Staatsbibliothek und das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, sowie das Ibero-Amerikanische Institut und das Staatliche Institut für Musikforschung unterstehen. Zur Begrüßung führt Professor Parzinger mich an den im Foyer ausgestellten Kunstschätzen entlang, bis wir in sein Büro kommen."

Zu viel auf dem Teller und zu viele Beilagen. Also vielleicht so:

Das Foyer atmet gepflegte Eleganz, die vorherrschende Farbe ist Weiß. Vor der Treppe eine Marmorgruppe, zwischen den Fenstern Fayencen. Beim Betreten der klassizistischen Villa muss ich dem Impuls widerstehen, beim Pförtner ein Museumsticket zu lösen. Hier residiert die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die größte deutsche Kultureinrichtung. Ihr Reich reicht von der Sammlung Berggruen mit ihren Picassos bis zum Neuen Museum mit der berühmtesten Büste der Welt – Nofretete. Ihr Präsident ist Herr über mehr als 20 Museen, Institute und Archive. An den Kunstschätzen im Foyer vorbei führt mich Professor Parzinger in sein Büro.

Einen Text nicht überfrachten - so kann es funktionieren: Der erste Satz hat Übergewicht. Zu viele Informationen erschlagen den Leser. Eine Zweiteilung schafft Luft. Gerade beim Einstiegsatz in einen Text sollten wir den Leser nicht mit Einzelinformationen überschütten.

Der zweite Satz lockt den Leser auf ein Nebengleis – und sagt ihm dann: Hier geht es nicht weiter. Das ist ärgerlich. Und die Geschichte der Villa spielt hier auch keine Rolle, denn in diesem Artikel geht es nicht um sie, sondern um ein Interview mit dem heutigen Hausherrn. Deshalb fällt der Einschub komplett weg – und wir sind zugleich den Schachtelsatz los. 

Der dritte Satz ist ein echte Killer: Hauptverwaltung – größte deutsche Kultureinrichtung – Stiftung Preußischer Kulturbesitz – Präsident - fünf Einzeleinrichtungen. Niemand kann das in einem Satz aufnehmen. Ich nenne zwei Museen. Nofretete signalisiert, in welcher Liga wir spielen. Im vierten Satz kommen die Kunstschätze. Erst jetzt versteht man das mit dem Ticket. Ich ziehe diese Information deshalb nach vorn.

An diesen Verständlichkeitsregeln habe ich mich orientiert:

  1. Zwei kurze Sätze sind besser als ein langer

  2. beim Thema bleiben: keine zweite Geschichte anreißen 

  3. Konkret ist besser als abstrakt: Nofretete als Beispiel

  4. auf den roten Faden achten: Warum wähnt er sich im Museum? 

 


Tipp des Monats: Weniger ist mehr

Überprüfen Sie die Rohfassung Ihrer Texte kritisch. Fragen Sie sich
bei jedem Satz und bei jedem Einzelaspekt: Brauche ich das, oder
könnte das auch weg? Was fehlt dem Leser, wenn ich das streiche?

Meist kann mehr weg als Sie denken. Oft wird ein Text erst dann
gut, wenn Sie sich von etwas trennen, das Sie zunächst unbedingt
drin haben wollten. „Kill your darlings“ also. Probieren Sie es aus.

Mark Twain hat es einmal sinngemäß so formuliert: Ein Text ist
nicht dann fertig, wenn man nichts mehr hinzufügen kann.
Ein Text ist dann fertig, wenn man nichts mehr wegstreichen kann.


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