Wir alle fürchten sie: endlose Texte mit einem Wust an Details, aber ohne Orientierung. Nach dem Lesen schwirrt uns der Kopf, und wir sehen kein Land. In diesem Newsletter erfahren Sie, wie Sie sich und anderen diese Textmonster ersparen können.
Alptraum des Monats
„Jeder poplige Vermerk hat mindestens zehn Seiten“,
erzählt ein (baden-württembergischer Minister) a.D.. Die Beamten neigten
dazu, der Hausspitze alle denkbaren Aspekte eines Sachverhalts
zu unterbreiten – ohne auch nur den leisesten Ansatz einer Lösung
zu bieten. Standardformel: Das muss politisch entschieden werden. …
Ein Stoßseufzer aus einem Artikel der „Stuttgarter Nachrichten“
mit Überlebenstipps für die neuen Landesminister. Auch jenseits der
großen Politik kennen Verantwortliche dieses Phänomen. Oft sind die
Texte gut gemeint. Doch hinter der guten Absicht stecken Denkfehler.
Denkfehler Nummer 1: Mein Text muss vollständig sein
Die Verfasserin oder der Verfasser schreibt alles auf, was sie oder
er zum Thema weiß oder recherchiert hat. Manchmal aus Sorge,
der Empfänger könnte sonst etwas vermissen. Manchmal auch
mit der heimlichen Nebenabsicht „Seht mal, was ich alles weiß.“
Doch die meisten Alltagstexte sind nicht fürs Lexikon gedacht, sie
haben einen konkreten Auftrag. Sollen über einen Sachverhalt
informieren, manchmal auch eine Entscheidung vorbereiten. Und
der Auftrag bestimmt, was in den Text gehört – und was nicht.
Denkfehler Nummer 2: Ich will nicht vorgreifen
Die Verfasserin oder der Verfasser beschränkt sich darauf, eine
Lage oder ein Problem zu beschreiben. Lösungsmöglichkeiten
listet sie oder er höchstens auf. Aus Scheu, dem Empfänger vor-
zugreifen. Oder aus Sorge, mit einer Empfehlung falsch zu liegen.
Doch viele Vorgesetzte sind Generalisten. Wer ihnen zuarbeitet,
weiß oft mehr über das Thema. Vorgesetzte müssen sich darauf
verlassen, dass Mitarbeiter die relevanten Informationen auswählen,
diese sachkundig bewerten und eine adäquate Lösung vorschlagen.
Tipp für Auftraggeber: Stellen Sie klare Forderungen
Wer einen Wischiwaschi-Auftrag erteilt, bekommt auch einen
Wischiwaschi-Text. Deshalb: Sagen Sie Ihren Leuten vorher konkret,
was Sie brauchen. Wenn Sie in dieser Sache auch eine Entscheidung
treffen müssen: Fordern Sie eine Empfehlung - mit Begründung.
Erfahrene Praktiker empfehlen, (Mitarbeitern) klare Vorgaben zu
machen und sie zu eigenen Bewertungen anzuhalten: Was ist gut,
was ist schlecht? Sonst ersticke man in Papier – heißt es in dem
zitierten Zeitungsartikel mit den Überlebenstipps für neue Minister.
Aus meinen Seminaren weiß ich: In vielen Chefbüros gibt es diese
Kultur der klaren Vorgaben schon. Die Leitfragen für Berichte und
Vorlagen lauten: Wie ist die Lage? Was ist zu tun? Dazu kommen
klare Längenvorgaben: zwei Seiten. Eine Seite. - Das funktioniert.
Tipp für Schreibende: Seien Sie mutig
Weniger ist mehr. Lassen Sie weg, was nicht zur aktuellen Frage
gehört. Dies macht Ihren Text prägnanter – und lesefreundlicher.
Ein Mitarbeiter aus einem Chefbüro sagte mir: Ich habe noch keinen
Vermerk und noch keine Vorlage gesehen, die mir zu kurz erschien.
Beziehen Sie Position. In der Analyse und bei Ihren Vorschlägen. Im
Sinne von „Ich sehe drei Lösungsmöglichkeiten: a), b) oder c). Ich
plädiere für b), weil …“. Aus einem anderen Leitungsbüro hörte ich:
Der Chef schätzt das. Und er trägt es den Leuten nicht nach, falls er
eine Sache doch anders einschätzt und deshalb anders entscheidet.
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