Der erste Blick Ihrer Leserinnen und Leser gilt der Überschrift. Sie gibt den Eiligen Orientierung – oder auch nicht. Sie zieht in den Text - oder eben nicht. In diesem Newsletter erfahren Sie, wie Sie Überschriften zu Werbeträgern für Ihre Texte machen.
Goldene Zitrone des Monats
Lebensmittel und freier Wettbewerb
lautet eine Überschrift in einem Jahrbuch für den Lebensmittelbereich.
Zwei Begriffe und ein schlichtes und.
Mehr Information bietet die Überschrift nicht.
Beim Lesen muss ich rätseln. Was hat das eine mit dem anderen
zu tun? Gibt es bei Lebensmitteln einen freien Wettbewerb
oder nicht? Nimmt er zu oder ab? Ist er vielleicht bedroht?
Antworten stehen im Text: Wegen der hohen Marktkonzentration
haben die Kartellbehörden die Lebensmittelbranche verschärft
im Blick. Sie deckten Preisabsprachen auf und verhängten hohe
Bußgelder. Fazit der Autorin: Die Kontrollen werden weitergehen.
Die Leser müssen also Zeit investieren, um das Rätsel zu lösen.
Besser wäre es, die Autorin nähme ihnen diese Arbeit ab und
brächte das Fazit schon in der Überschrift. Also vielleicht so:
Freier Wettbewerb bei Lebensmitteln bedroht – mehr Kontrollen
oder, kürzer und aktiv:
Behörden machen Front gegen Lebensmittel-Kartelle
Silberne Zitrone des Monats
Die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft
(TTIP) – Bedeutung für den Lebensmittelhandel lautet eine
andere Überschrift im selben Jahrbuch.
Der Vorteil, dieser Überschrift gegenüber Lebensmittel
und freier Wettbewerb: Sie stellt einen Zusammenhang her
mit der Formulierung Bedeutung für den Lebensmittelhandel.
Eine Schwäche bleibt dennoch: Die Überschrift sagt nicht,
welche Bedeutung TTIP für die Branche hat: Brächte es Vorteile
oder Nachteile? Wäre TTIP gut für die Branche oder schlecht?
Die Einschätzung des Autors steht im Text: Unterschiede bei
Gentechnik, Hormonen und Chemikalien in Lebensmitteln
in der EU und den USA führen zu Konflikten und behindern
den Handel. TTIP schafft eine gemeinsame Grundlage für
Regulierungen und baut mittelfristig Handelsschranken ab.
In der Überschrift könnte der Autor seine Position anreißen:
TTIP vereinfacht transatlantische Lebensmittel-Regulierung
oder, mit Blick auf die Folgen
TTIP erleichtert transatlantischen Lebensmittelhandel
Wie Sie prägnante Überschriften finden
Zwei Fragen würde ich mir stellen, ehe ich daran gehe, eine
Überschrift zu einem Text zu formulieren:
- Was genau ist mein Thema?
- Wie lautet die Kernaussage meines Textes?
Lebensmittel und freier Wettbewerb beantwortet nicht
einmal die erste Frage. Denn das Thema wäre Der aktuelle
Stand des freien Wettbewerbs in der Lebensmittelbranche.
Die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft
(TTIP) – Bedeutung für den Lebensmittelhandel beantwortet
die erste Frage, aber die Antwort auf die zweite Frage fehlt.
Die Lösung: Beantworten Sie für sich beide Fragen. Dann führen
Sie die Antworten zusammen: Thema plus Kernaussage. In
Kurzform, ohne Details. Als erste Orientierung für die Leser.
Prägnante Überschrifte sind Service für Eilige
Kaum jemand liest alle 15 Artikel in einem solchen Jahrbuch.
Wer nicht die Zeit dafür hat, überfliegt das Inhaltsverzeichnis.
Gut, wenn die Überschriften dann die Kernaussage anreißen.
„Einspruch!“ könnten Sie jetzt sagen: Wenn die Überschrift die
Kernaussage schon verrät, lesen Eilige den Artikel gar nicht
mehr. – Das stimmt. Aber der Umkehrschluss stimmt nicht,
„Ich lese einen Artikel eher, wenn die Überschrift nichts verrät.“
Als eiliger Leser werde ich das nicht tun. Gut, wenn ich den Tenor
des Textes dann wenigstens durch die Überschrift erfahre.
Als Autor schlucke ich da natürlich. Aber nüchtern betrachtet:
Texte sind Serviceprodukte. Und es ist besser, ich liefere meine
Botschaft „nur“ durch die Überschrift aus als überhaupt nicht.
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Mehr zu diesem Thema
Inhalt ist Trumpf
Zwei Möglichkeit haben Sie bei der Überschrift: Sie benennen
das Thema. Oder Sie bringen zusätzlich eine Kernaussage.
Deutschlands Poker um höhere Abgaswerte für PKW benennt
das Thema. Berlins Poker um höhere PKW-Abgaswerte soll
BMW und Daimler schützen nennt darüber hinaus auch das
Ziel der Regierung. Oder, mit Blick auf die EU-Ebene Berlins
Poker um höhere PKW-Abgaswerte erregt Groll in der EU.
Dem Leser bringt die Inhalt-Überschrift mehr als der Protokoll-
Titel. Überlegen Sie also: Wie lautet meine Kernaussage?
In einem Satz? Daraus können Sie eine Überschrift machen.
Auch bei Betreffs funktioniert das Prinzip „Thema plus Inhalt“.
Zulassungsverfahren XY ist protokollarisch. Mehr erfährt der
Leser mit Engpässe im Zulassungsverfahren XY behindern die
Nutzer oder, mit Blick auf eine Lösung Massive Engpässe im
Zulassungsverfahren XY – kurzzeitig mehr Personal nötig.
Kürze ist Trumpf
Für die schnelle Orientierung des Lesers gilt: Je kürzer die
Überschrift, desto besser. Oft ist auch die Länge begrenzt,
weil die Überschrift fett gesetzt ist und größer als der Text.
Gut, wenn Sie die Worte dann sparsam einsetzen können.
Das Pokern der Bundesregierung um höhere Abgaswerte
für Personenwagen soll die deutsche Autoindustrie schützen
ist umfassend, aber sehr lang. Knapper ist Berlins Poker um
höhere PKW-Abgaswerte soll BMW und Daimler schützen.
Die Lösung: Synonyme und Abkürzungen. Die Bedingung:
Ihre Leser müssen diese Synonyme und Kürzel kennen. Paris
fordert X ist kein Problem, Kiew plädiert für Y schon eher.
Berliner kennen die BVG, aber in Hamburg heißt es HVV.
Auch der Doppelpunkt spart Platz. Bundesregierung plädiert
für rasche Einführung einer Bankensteuer bringt Thema plus
Kernaussage. Berlin: Bankensteuer rasch einführen ist kürzer.
Bilder sind Trumpf
Ein zweites Bauprinzip reißt das Thema zunächst nur an. Mit
einem Bild, Vergleich oder Wortspiel. Geld für Ohrenstöpsel
macht neugierig. Schonzeit auf den Gipfeln auch. Die Nivea-
Creme unter den Geldanlagen zaubert ein Bild in den Kopf.
Der Nachteil: Diese Überschriften sind nicht selbst erklärend.
Zur Orientierung des Lesers muss eine Unterzeile her. Das
passt also nur, wenn eine zweiteilige Überschrift Platz hat.
Bei Geld für Ohrenstöpsel lautete die Unterzeile Bund plant
Fluglärm-Entschädigung in Einflugschneisen. Unter Schonzeit
auf den Gipfeln stand Alpengletscher 2013 weniger stark
geschmolzen. Und die Die Nivea-Creme unter den Geldanlagen
entpuppte sich als Bericht über den Boom des Bausparens.
Überschriften, die Geschichte schrieben
Freche Titel bleiben im Gedächtnis. Wir sind Papst schrieb BILD
nach der Wahl Ratzingers. Die taz titelte Es ist ein Mädchen!,
als Angela Merkel Kanzlerin wurde. Eher grenzwertig dann ihr
Castro nicht mehr fidel, als der kranke Máximo Lider abtrat.
Mein Champion des Jahres 2013 stand im Wirtschaftsteil der
Süddeutschen Zeitung. Unterzeile des Fünfspalters: Wer braucht
heute noch Computer-Zubehör? Das muss sich auch Logitech
fragen. Der Konzern will mit neuen Produkten locken – und mit
einer Dividende. Die Hauptzeile lautete schlicht Aus die Maus.
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